W.W. Angers: Headquarter und Import-Export-Freizeit

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KEIN FRÜHSTÜCK IM GRÜNEN
Ist Freiheit die Spannung zwischen Wirklichkeit und meiner Vorstellung? Oder is Freiheit bloß die Ziffer für einen gemeinsamen Aspekt der verschiedenen Unfreiheiten?

Oswald Wiener

Die Straßen in W.W. Angers Installation IMPORT – EXPORT – FREIZEIT sind die Träger eines Freiheitsversprechens und erweisen sich, spätestens in dem Moment als ungangbar, wenn wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß der Zugang zu den illusionistischen Weiten der Landschaftsbilder von den Schriftzügen der Automarken versperrt wird.

Bereits hier zeigt sich die vollständige Kontamination des Unbekannten durch das nur allzu Bekannte. Die Hängung der Bilder, in Form eines Rasters, dessen Koordinaten von der leeren Wand zwischen den Bildern und dessen Planquadrate von den Landschaftsbildern besetzt werden, findet ihre Entsprechung im umgekehrten Verfahren des Aufstellungssystems der Modellautos.

Die gleichförmige Masse der bunten Modellautos bezieht ihre Identität erst aus der Verknüpfung von Markennamen und Landschaftsbildern und wir müssen erkennen, daß die Landschaftsbilder zu schlichten Imageträger heruntergekommen sind. Sind die Landschaften nichts anderes als Bebilderungen der leeren Planquadrate und damit Nachrichten von unbekannten Orten, so sind die Reihen der Autos die Leiterbahnen des dazugehörigen Informationssystems. Die leeren Räume des Unbekannten, wie sie die weißen

Flecken alter Landkarten zeigen, von denen man wohl schon immer wußte, daß sie ganz so leer nicht sein konnten, sondern daß sie vielmehr ein Versprechen von Neuem und Unbekannten waren – nun hat sich die herbeiphantasierte Leere der weißen Flecken in die reale Leere der Bilder verwandelt. So leer, wie nur irgendetwas leer sien kann, sind sie die idealen Imageträger – Container, nur dazu da, die Versprechungen der Freiheit in sich aufzunehmen. Wenn wir den horizontalen Raster der Automodelle und den vertikalen der Landschaftsbilder als die Koordinaten eines virtuellen dreidimensionalen Modells auffassen, so resultiert daraus jenes Raumkonstrukt, in dem die Bilder der Wirklichkeit entstehen, sich verketten, sich voneinander lösen, sich umgruppieren und auch wieder verschwinden können.

Nur im Rahmen dieser Konstruktion läßt sich die im Zusammenhang mit der Arbeit HEADQUARTER entstehende Frage nach der Peripherie – nach dem unmarkierten Raum – beantworten. Die Polarität Zentrum – Peripherie existiert bestenfalls noch in Form geringfügiger Dichteschwankungen in der räumlichen Struktur dieser Konstruktion. Alle Wege an diese vermeintliche Peripherie führen über den Umweg der Freizeit wieder nur zurück in die Zirkulationssysteme von Import und Export.

Einer solchen Endlosschleife entspricht auch die Herstellungsweise der Landschaftsbilder. Sie sind gänzlich anachronistische malerische Reproduktionen von hochtechnisierten fotografischen Vorlagen aus dem Katalog einer der weltgrößten Bilderagenturen, die ihrerseits selbst wieder auf überkommene Formen der Malerei rekursieren. Stand am historischen Anfang dieser Entwicklung die langsame Emanzipation des Landschaftsmotives vom dienenden Bildhintergrund zur eigenständigen Gattung des Landschaftsbildes, so erfolgt in der Geshichte der Fotografie ein rascher Aufstieg des Landschaftsbildes zum wichtigen Genre, mit dem der steigenden Nachfrage nach Bildem unbekannter, möglichst exotischer und häufig kolonialer Orte Rechnung getragen wurde.

Womit mir in IMPORT – EXPORT – FREIZEIT zu tun haben, ist nicht so sehr das wohlbekannte Rad der Geschichte, sondern ein ausdifferenzierter Mechanismus, der uns die Indifferenz zwischen Repräsentation und Realität zeigt.

Die Bilder beziehen sich aber auch auf die mediale Konstruktion von Landschaften un Metropolen. Aus diesem “Primat der Bilder vor dem Sein” (P.Virilio) entsteht die Indifferenz.

Bill Grawen

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W.W.ANGER geboren 1957 in Anger. Lebt in Graz, Österreich.

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Wir danken dem Österreichischen Kultur Institut Zagreb für die Hilfe bei der Organization der Ausstetellung.